Antwort von Lama Ole Nydahl:
Das wird bei uns nicht als besonders wichtig erachtet. Buddha war klug genug, sich weitgehend aus unseren Schlafzimmern herauszuhalten. Auf Fragen zu Homosexualität hat er meistens geantwortet, sie würde aus starker Abneigung gegen das andere Geschlecht in vorherigen Leben entstehen. Wenn ich z. B. im letzten Leben ständig an den Mädchen etwas gefunden hätte, was mir nicht gefällt, dann würde ich heute anstatt mit Petra mit Peter Hand in Hand dasitzen. Es hängt also von der inneren Einstellung anderen gegenüber ab. Was man gerade jetzt schätzt und für schön und bedeutend hält, ist auch das, was man das nächste Mal begehren wird.
Es ist auch eine Frage von karmischen Verbindungen. Man war vielleicht im letzten Leben ein heterosexuelles Paar, in diesem Leben werden jedoch beide männlich oder weiblich geboren . Da man sich aufgrund des alten Karmas wieder stark angezogen fühlt, begegnet man sich gleichgeschlechtlich.
Ich glaube, in homosexuellen Verbindungen geschieht dasselbe wie in heterosexuellen. Okay, ich muss schon zugeben, dass ich zweimal hingucke, wenn ein paar Herren sich küssen oder Händchen halten usw. Da bin ich halt ein bisschen altmodisch.
Aber man kann alle Ebenen der Praxis voll ausführen. Die Theravada – Ebene des „ Nicht- Schädigens“, die Mahayana – Ebene von Mitgefühl und Weisheit ,und ebenso das Mahamudra, wo Subjekt-Objekt und Tat untrennbar werden und man alle Eigenschaften im Geist loslassen und entstehen lassen kann. Nur bei einigen Vereinigungspraktiken auf Diamantwegsebene, wo es um Verschmelzung von Energien im männlichen und weiblichen Körper geht, gibt es wohl keine homosexuelle Praxis.
Als ich jünger war, fand ich, die sexuelle Einstellung sei der Knackpunkt, der alles andere im Leben färbt. Jetzt denke ich tatsächlich anders. Ich denke, die sexuelle Orientierung ist nur eine von ganz vielen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen und ist für die Ganzheit nicht so bedeutend.
Ich habe höchstens ein paar Dutzend Schüler, die voll homosexuell sind und etliche bisexuelle. Ich selbst habe niemals eine homosexuelle Beziehung gehabt. Aber was ich im Laufe der Jahre beobachtet habe, ist dass es bei Homosexuellen oft mehr Störgefühle gibt Da sie eine Minorität darstellen, sind oft Konkurrenzkämpfe, Erwartungen und Befürchtungen stärker. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass es eher Ego-stärkend ist, wenn man mit seinesgleichen ins Bett geht, und eher Ego-auflösend, wenn man es mit seinem Gegenpol tut. Weil man sich im einem Fall gegenseitig in seinem So-Sein bestätigt, im anderen Fall sich aber dem Anders-Sein öffnet und in den zeitlosen Raum jenseits geht. Homosexuelle haben auch mehr Schwierigkeiten in der Partnerwahl und recht harte Auseinandersetzungen. Und das wünsche ich ihnen natürlich nicht.
Andererseits denke ich, dass sie auch männliche und weibliche Rollen annehmen. Also kann es schon sein, dass sich das Männliche und das Weibliche auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen ergänzt.
Aber ich finde nicht, dass das Thema bedeutend ist. Solange sie sich gegenseitig gut behandeln und keine Krankheiten verbreiten, bin ich eigentlich nicht so sehr daran interessiert, was meine Schüler nachts machen. Ich bin nur froh, wenn sie morgens fröhlich aus dem Bett kommen